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Literatur

nanos gigantum umeris insidentes Bernhard von Chartres

If I have seen further it is by standing on ye shoulders of giants. Isaac Newton

Zumindest zu jeder wissenschaftlichen Arbeit gehört ein angemessener Umgang mit Quellen und demnach ein Literaturverzeichnis1).

Daraus ergeben sich unmittelbar eine Reihe von grundlegenden Fragen zur Organisation der für ein Literaturverzeichnis notwendigen Informationen und ggf. der Literatur selbst2):

  • Wie wird die Information zu den einzelnen Literaturstellen abgelegt?
    • Der einfachste Fall wäre einfach eine händisch gepflegte Liste (was aber unter keinen Unständen zu empfehlen ist).
    • Es gibt verschiedene Formen von Literaturdatenbanken (BibTeX, EndNote, …).
    • Es gibt für die unterschiedlichen Literaturdatenbanken unterschiedliche Programme zu deren Pflege (JabRef, EndNote, EndNote Web, …)
  • Wie wird die Literatur selbst organisiert und abgelegt (im Fall der elektronischen Verfügbarkeit)?
    • Idealerweise sollte auch ohne zugehörige Literaturdatenbank ein möglichst einfacher Zugriff gewährleistet sein.
    • Trotz der Verfügbarkeit vieler Artikel über das Internet (zumindest in einem universitäten Umfeld) ist es eine gute Idee, die für die eigene Arbeit relevante Literatur lokal zu speichern (Details und Gründe unten).
  • Wie stellt man eine Verbindung zwischen Literaturliste/-datenbank und (elektronisch verfügbarer) Literatur her?

Im Folgenden soll auf alle Punkte einzeln eingegangen werden.

Literaturdatenbank

Das Thema „Literaturdatenbank“ läßt sich in zwei Bereiche unterteilen: Formate und ihre dazugehörigen Nutzerschnittstellen.

Formate

Auch wenn es noch weitere Formate gibt, sind wohl nur zwei Formate hier von Belang:

Während EndNote ein kommerzielles (binäres) Format ist und man sich mit seiner Nutzung von einem kommerziellen Produkt abhängig macht, ist BibTeX eine komplett freie und quelloffene Software sowie ein Textformat (und damit grundsätzlich einfach les- und bearbeitbar).

Wer Word (oder andere Textverarbeitungsprogramme dieser Art) verwendet, wird in aller Regel EndNote oder eine seiner Varianten (EndNote Web) verwenden.

Wer seine (wissenschaftlichen) Arbeiten mit LaTeX schreibt, wird meist geneigt sein, BibTeX zu verwenden.

Hinweis: Es gibt die Möglichkeit, zwischen beiden Formaten, EndNote und BibTeX, zu konvertieren. Wie das bei Konvertierungen aber meist so ist, kann eine hundertprozentige und fehlerfreie Konvertierung nicht garantiert werden.

Viele einschlägige Internetseiten (viele Journale, Literatursuchseiten wie „Web of Science“ und „PubMed“) ermöglichen Exporte in beide (und weitere) Formate.

Nutzerschnittstellen

Während EndNote seine eigene Nutzerschnittstelle (neudeutsch: Interface) bereits mitbringt, ist das im Fall von BibTeX im einfachsten Fall ein beliebiger Texteditor, der fähig ist, reinen Text nicht nur zu lesen, sondern auch zu speichern3).

Neben der „klassischen“ Variante, für BibTeX-Dateien einen Texteditor eigener Wahl zu verwenden, gibt es aber mittlerweile auch diverse Programme, die einige Zusatzfunktionalität bereitstellen und die Arbeit mit BibTeX-Datenbanken komfortabel gestalten.

Ein insbesondere hinsichtlich seiner Plattformunabhängigkeit und Ausgereiftheit nützliches Produkt soll hier hervorgehoben werden:

Allerdings gibt es gerade bei Verwendung von BibTeX gute Gründe, die „altertümliche“ Variante via Texteditor zu verwenden. Details dazu weiter unten.4)

Organisation der Literatur

Gerade im (natur-)wissenschaftlichen Bereich werden überwiegend Artikel aus Fachzeitschriften zitiert. Mittlerweile ist vermutlich die überwiegende Zahl dieser Artikel in elektronischer Form (als PDF-Dokument) verfügbar.

Warum sollte man trotz Verfügbarkeit via Internet die für das eigene Gebiet relevante Literatur lokal speichern, und welche Aspekte sind dafür von Belang?

Gründe für das lokale Speichern

Was früher der Aktenschrank mit den gedruckten Artikeln war, ist heute die Ordnerstruktur auf dem Dateisystem. Auch wenn die meisten Artikel einfach und komfortabel über das Internet erreichbar sind (vorausgesetzt man befindet sich mit seinem Rechner gerade in einem Uni-Netz), gibt es gute Gründe, die Literatur lokal auf dem eigenen Rechner zu speichern:

  • Verfügbarkeit
    • Die Literatur ist unabhängig davon verfügbar, ob man gerade Zugriff auf das Internet (und entsprechenden Zugang zu den Artikeln) hat.
    • Manche Artikel sind vom gegebenen universitären Internetzugang aus nicht zugänglich, aber es gibt Kollegen, die man fragen kann, und die evtl. Zugriff haben.5)
    • Es gibt keine Garantie dafür, daß eine Universität dauerhaft Zugriff auf ein Journal hat.6)
  • Übersicht
    • Es ist mitunter wesentlich einfacher, einen Artikel wiederzufinden, wenn man weiß, daß man ihn lokal gespeichert hat, als die Weiten des Internets (und der dort verfügbaren Datenbanken) zu durchsuchen.

Organisation der Ablage

Grundsatz: Idealerweise sollte auch ohne zugehörige Literaturdatenbank ein möglichst einfacher Zugriff gewährleistet sein.

Einer, wenn nicht der häufigste, Zugang zu (wisenschaftlicher) Literatur ist über den Namen des Erstautors einer Veröffentlichung. So wird normalerweilse zitiert, wenn nicht zugunsten von Zahlen ganz auf Namen verzichtet wird.

Für eine vollständige Beschreibung eines in einer Fachzeitschrift veröffentlichten Artikels (der häufigste Fall für Literatur, die elektronisch vorliegt) braucht man vier7) Informationen:

  • Erstautor
  • Name der Fachzeitschrift
  • Band
  • Seitenzahl, bei der der Artikel beginnt

Entsprechend gilt es, diese vier Informationen in einem Dateinamen unterzubringen.8) Ein diesen Kriterien entsprechendes Schema für Dateinamen wird weiter unten vorgestellt.

Noch ein paar Hinweise zur Organisation der Ablage:

  • Ein Verzeichnis für alle Artikel
    • Vorteil: Einfache Durchsuchbarkeit9)
    • Thematische Verzeichnisse haben demgegenüber den Nachteil, daß ein Artikel oft nicht exklusiv einem Thema zugeordnet werden kann.
  • Eventuell weitere Verzeichnisse für andere Arten von Literatur (Thesen, Buchbeiträge, etc.)

Natürlich sind all diese Hinweise nicht zwingend, sondern lediglich Ergebnis persönlicher (wenn auch langjähriger) Erfahrung.

Verbindung zwischen Literaturdatenbank und Dateisystem

Wie stellt man eine Verbindung zwischen Literaturliste/-datenbank und (elektronisch verfügbarer) Literatur her?

Einige der Schnittstellen zwischen Literaturdatenbank und Nutzer (EndNote, JabRef) erlauben es, direkt Links auf Dateien im Dateisystem zu setzen. Das hat mitunter aber einige Nachteile10).

Ein weitaus robusterer Ansatz ist es, sich ein generisches Schema für die Benennung der Dateien auszudenken und die Dateinamen (ohne Endung) dann als „Schlüssel“ zum jeweiligen Datensatz hinzuzufügen. Erlaubt dieses generische Schema für die Dateinamen darüber hinaus auch noch den direkten Rückschluß aus dem Dateinamen auf die vollständige Zitation (s.o.), dann bedarf es ausgehend von einer Zitation nur eines Blickes in das Verzeichnis mit den Artikeln, um sofort festzustellen, ob der betreffende Artikel bereits dort vorhanden ist11).

Nomenklatur der Dateien und Schlüssel

Im Folgenden soll ein Schema für die Benennung von Dateien (und zugehörigen (BibTeX)-Schlüsseln) vorgestellt werden, das sich über Jahre in der Praxis bewährt hat und alle oben genannten Kriterien erfüllt.

Der Clou ist, daß die (PDF-)Dateien genauso heißen wie die (BibTeX-)Schlüssel, und daß aus den Dateinamen/(BibTeX-)Schlüsseln alle wesentlichen Informationen hervorgehen, die man benötigt, um eine vollständige Zitation zu haben, bzw. das umgekehrt genauso funktioniert.

Ein (BibTeX-)Schlüssel für einen Artikel in einem Journal besteht aus vier Bestandteilen, die im Folgenden kurz erläutert werden sollen:

Erstautor
die ersten vier Buchstaben des Erstautors
Journal
Eine eindeutige Abkürzung der Fachzeitschrift.
Bei Verwendung von BibTeX können/sollten entsprechende Dateien angelegt werden, die eine Zuordnung zwischen dieser Abkürzung und jeweils dem vollen bzw. abgekürzten Namen der Fachzeitschrift beinhalten. Die Idee hinter diesen beiden Dateien ist, daß man dann in einer LaTeX-Datei durch die bloße Angabe einer der beiden Dateien zwischen vollen und abgekürzten Titeln umschalten kann, ohne die eigentlichen BibTeX-Datensätze ändern zu müssen.
Band
Die Nummer des Bandes der Fachzeitschrift
Seite
Die Seitenzahl der ersten Seite des Artikels.

Beispiel

Zur Verdeutlichung ein Beispiel der Umsetzung (im Fall der Verwendung von BibTeX).

literatur.bib
@STRING{LASTEDIT = {25/NOV/2011}}
 
@Article{bisk-aciee-48-404,
  author = 	 {Till Biskup AND Erik Schleicher AND Asako Okafuji AND Gerhard Link AND Kenichi Hitomi AND Elizabeth D. Getzoff AND Stefan Weber},
  title = 	 {Direct Observation of a Photoinduced Radical Pair in a Cryptochrome Blue--Light Photoreceptor},
  journal =	 ACIEE,
  year = 	 {2009},
  volume = 	 {48},
  pages = 	 {404--407}
}
fulljrnl.bib
@STRING{LASTEDIT = {25/NOV/2011}}
 
@STRING{ACIEE = {Angewandte Chemie International Edition English}}
abbrjrnl.bib
@STRING{LASTEDIT = {25/NOV/2011}}
 
@STRING{ACIEE = {Angew. Chem. Int. Ed.}}

Der zugehörige Name der PDF-Datei des Artikels lautete entsprechend: bisk-aciee-48-404.pdf

Bei Verwendung von BibTeX in Verbindung mit LaTeX wird die Bibliographie dann entsprechend wie folgt eingebunden:

\bibliography{fulljrnl,literatur}

bzw.

\bibliography{abbrjrnl,literatur}

Wichtig ist in beiden Fällen, die Dateien mit den Zuweisungen von Abkürzungen und Journalnamen vor der eigentlichen Bibliographie zu laden, da nur so BibTeX die entsprechenden Ersetzungen vornehmen kann.

Zur Beachtung: Bei den hier verwendeten Abkürzungen für die Journalnamen (also jenen Abkürzungen, die in den Schlüsseln und Dateinamen verwendet werden) handelt es sich nicht um „offizielle“, sondern um eigene, teilweise historisch gewachsene und aus anderer Quelle übernommene Abkürzungen. Innerhalb einer Gruppe oder eines Arbeitskreises, wo entsprechend Literatur ausgetauscht werden soll, empfiehlt es sich, sich auf einen gemeinsamen Satz von Abkürzungen zu einigen.

Dos und Don'ts

Eine gut gepflegte Literaturdatenbank ist sehr wertvoll für die eigenen wissenschaftlichen Veröffentlichungen, sei es nun eine These oder ein beliebiger anderer Beitrag (Artikel in einem Journal, Buchbeitrag, etc.).

Da Literaturdatenbanken mit der Zeit wachsen, ist es wichtig und hilfreich, gleich von Anfang an ein paar Grundregeln zu beherzigen.

  • Niemals unüberprüft Literaturstellen aus anderen Quellen übernehmen. Immer mit der Literaturstelle selbst vergleichen.
    • Das verhindert auch, daß Literaturstellen auftauchen, die gar nicht existieren.12)
    • Merke: Literaturverzeichnisse/Bibliographien werden meist stiefmütterlich behandelt und enthalten jede Menge Fehler. Nichts aber ist ärgerlicher, als aufgrund solcher Fehler die entsprechende Literaturstelle nicht auffinden zu können.
  • Beim Hinzufügen einer Literaturstelle zur eigenen Datenbank alle Felder des Eintrages sorgfältig prüfen (und mit dem Original vergleichen).
    • Merke: Vertraue niemals Literaturdatenbanken im Netz. Web of Science etc. enthalten oft fehlerhafte oder zumindest inkonsistente Einträge.
  • Auf korrekte Darstellung von Sonderzeichen achten.
  • Wenn elektronisch verfügbar, Literatur zur eigenen Sammlung hinzufügen (und möglichst eindeutig kennzeichnen).
  • Auf Konsistenz der Datensätze untereinander achten.
    • Groß- und Kleinschreibung von Titeln
    • Vollständigkeit der Angaben
    • Identische Journalnamen/-abkürzungen, Buchtitel, etc.

Eine konsequente Beachtung dieser Regeln spart jede Menge Arbeit und ermöglicht es, sich ungesehen auf die eigene Literaturdatenbank zu verlassen.

1)
Der Begriff „Literaturverzeichnis“ hat hier zwei Bedeutungen: Es ist einmal das Verzeichnis der für eine bestimmte Arbeit verwendeten Literatur, meist am Ende derselben, andererseits ein Verzeichnis aller potentiell zu verwendenden Literatur, und damit mindestens genauso umfangreich wie ersteres, meist jedoch weitaus größer. Idealerweise legt man gleich zu Beginn seiner Beschäftigung mit einem Thema ein Verzeichnis der gelesenen (und evtl. auch noch zu lesenden) Literatur an.
2)
Aufgrund des naturwissenschaftlichen Hintergrundes des Autors orientieren sich die folgenden Ausführungen stark an den Gepflogenheiten in den Naturwissenschaften. Viele Aspekte sollten jedoch allgemeingültig oder aber einfach auf andere Bereiche übertragbar sein.
3)
Das ist im einfachsten Fall unter Windows Notepad, aber in keinem Falle Word etc. Unter Linux und Mac OS X gibt es eine Vielfalt, angefangen bei den Klassikern wie vi und emacs über gedit und TextEdit bis hin zu TextWrangler/BBEdit (Mac OS X) und anderen „Editoren“, die weit mehr können als nur Texte bearbeiten.
4)
Zumindest ist es mir bislang nicht gelungen, JabRef davon zu überzeugen, für gewisse Felder auf BibTeX-Strings zurückzugreifen, und das auf einfache und komfortable Weise. Das ist allerdings der einzige mir bekannte Weg, abgekürzte und ausgeschriebene Journalnamen von der eigentlichen Bibliographie zu trennen und konsistent zu halten und zu verwalten.
5)
Diese Weitergabe von PDFs der entsprechenden Artikel sollte vom Urheberrecht gedeckt sein, zumal das adäquat dazu ist, direkt den korrespondierenden Autor des betreffenden Artikels anzuschreiben. Voraussetzung ist natürlich, daß man die PDF-Dateien nicht allgemein zugänglich macht, etwa über eine global lesbare Webseite.
6)
Der Vorteil des Bezugs der gedruckten Journale war, daß die einmal bezogenen Ausgaben in der Bibliothek standen und deshalb der Bibliothek nicht mehr weggenommen werden konnten. Mit dem mittlerweile überwiegend üblichen elektronischen Zugang zur Fachliteratur haben sich die Universitätsbibliotheken in eine ungute Abhängigkeit der Verlage und deren Preisdiktate begeben. Das kann im ungünstigsten Fall dazu führen, daß die Universität ihren Zugriff auf bestimmte Zeitschriften und -Jahrgänge verliert.
7)
Strenggenommen ist schon Name der Fachzeitschrift, Band und Seitenzahl eine vollständig bestimmte Literaturangabe, allerdings hat die Hinzufügung des Namens des Erstautors klare praktische Vorteile.
8)
Natürlich kann man auch beliebige andere Informationen im Dateinamen unterbringen, allerdings hat es sich in der Praxis als durchaus vorteilhaft erwiesen, diese vier Informationen zu nehmen, zumal sie vollständig generisch sind.
9)
Die meisten modernen Dateibrowser erlauben, durch Tippen der Anfangsbuchstaben eines Dateinamens zur entsprechenden Stelle in der Liste der Dateinamen zu springen.
10)
Eine feste Verknüpfung von absoluten Pfaden im Dateisystem funktioniert nur so lange, wie sich an diesem absoluten Pfad nichts ändert.
11)
Das ist insbesondere dann von Vorteil, wenn man einen Artikel liest und eine Literaturstelle, auf die dort verwiesen wird, schnell anschauen möchte.
12)
Ja, so etwas kommt tatsächlich vor, wie ich aus eigener Erfahrung bestätigen kann.
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