Ein direktes Verfahren zur Beobachtung der Spindynamik und der Elektronenspinpolarisation (ESP) bei der Entstehung gekoppelter Radikalpaare ist die transiente EPR-Spektroskopie. Meßgröße ist die zeitliche Entwicklung der transienten Magnetisierung. Die ESP bestimmt dabei das Vorzeichen (Absorption oder Emission) des EPR-Signals.
Durch die Einwirkung eines plötzlich zugeschalteten, senkrecht zu B0 polarisierten Mikrowellen-Feldes B1 wird ein Nichtgleichgewichtszustand erzeugt. Die Magnetisierung eines Systems von Elektronenspins wird dadurch aus ihrer ursprünglichen Gleichgewichtslage (entlang des stationären Magnetfeldes B0) ausgelenkt. Der Magnetisierungsvektor führt dabei eine Präzessionsbewegung um das effektive Magnetfeld Beff aus. Im Fall der exakten Resonanz ist B1 = Beff und man beobachtet ein mit der Frequenz ω1=γB1 oszillierendes, exponentiell gedämpftes EPR-Signal.
Anstelle des plötzlich zugeschalteten Mikrowellenfeldes kann man die paramagnetische Spezies auch (z.B. durch einen Laserpuls) photoinduzieren. Ein Nichtgleichgewichtszustand in der Magnetisierung des Elektronenspins wird dabei durch einen kurzen Laserpuls erzeugt, der das Spinsystem in einem Zustand hoher Spinpolarisation in Gegenwart eines kontinuierlich eingestrahlten Mikrowellenfeldes B1 generiert.
Die makroskopische Magnetisierung führt dann gedämpfte Oszillationen um das effektive Magnetfeld Beff aus. Transiente Nutationen treten nur dann auf, wenn die Mikrowellenfeldstärke B1 groß gegen die inversen Relaxationszeiten ist: ω1 = γB1 « 1/T1,1/T2.
Das Verfahren eignet sich insbesondere zur Untersuchung der Kurzzeitspindynamik ichtinduzierter Radikalpaare aufgrund der folgenden Eigenschaften:
Grundsätzlich lassen sich transiente EPR-Spektren mit einem gewöhnlichen cw-Spektrometer ohne große Umbauten messen. Um die Zeitauflösung zu erhöhen, kann man entweder die Modulationsfrequenz erhöhen oder anstelle von Feldmodulation und Lock-In-Verstärker direkt detektieren. Das führt zu einem reduzierten Signal-Rausch-Abstand, so daß praktisch nur spinpolarisierte Spezies detektiert werden können. Außerdem zeigen die Spektren direkt die Absorption/Emission, nicht wie gewöhnlich bei der cw-EPR deren erste Ableitung.
Gewöhnlich wird mit einem Transienten-Rekorder mit der notwendigen Zeitauflösung das EPR-Signal nach dem Lichtblitz bei einer festen Magnetfeld-Position aufgenommen und über wiederholte optische Pump-Zyklen gemittelt. Wird das Magnetfeld innerhalb eines definierten Bereiches schrittweise durchgefahren, erhält man so zweidimensionale transiente EPR-Spektren (vgl. Abbildung 4).
Zur Beschreibung der EPR-Signale transienter, spinpolarisierter Radikalpaare wurde das Modell spinkorrelierter gekoppelter Radikalpaare (CCRP-Mechanismus) entwickelt.